Wie gelingt Stadtentwicklung für ein smartes Leben in der Stadt der Zukunft?
Ole von Beust, ehemaliger erster Bürgermeister der Hansestadt Hamburg und Vorsitzender des Beirates der Alliander AG
Herr von Beust, Sie als ehemaliger Erster Bürgermeister von Hamburg haben viele Jahre die Entwicklung einer der größten Städte Deutschlands geprägt und gestaltet. Was war Ihnen dabei besonders wichtig?
Mir waren und sind zwei grundsätzliche Dinge besonders wichtig. Das sind zum einen die „Basics“, die stimmen müssen. Dazu gehören eine effiziente, moderne Verwaltung, die Gewährleistung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung, intakte Infrastrukturen sowie schlicht das reibungslose Funktionieren dessen, wofür der Staat verantwortlich ist.
Zum anderen ist es genauso wichtig, dass mittel- und langfristige Ziele für eine Stadt fixiert werden – am besten anhand eines Leitbildes, das im Dialog mit der Stadt und den Bürgern formuliert wird. Mit der Festlegung von Zielen, wird Identität gestiftet, sowie Engagement und Motivation bei allen Beteiligten, auch in der Verwaltung, freigesetzt.
Aktuell ist „Smart City“ einer der Trendbegriffe, die für moderne Stadtentwicklung eine bestimmte Richtung vorgeben. Häufig werden damit vor allem digitale Neuerungen im urbanen Umfeld zusammengefasst. Was macht Ihrer Ansicht nach eine Stadt smart?
Aus meiner Sicht hat Smart City zwei Seiten. Die eine stellt die möglichst umfassende digitale Organisation der Verwaltung selbst dar. Das betrifft die internen Abläufe und das Zulassen digitaler Lösungen entgegen alter Gewohnheiten.
Die andere Seite ist die Nutzung der digitalen Möglichkeiten von den Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt. Das beginnt bei digitalen Anwendungen in Bereichen, in denen der Bürger direkt in Kontakt mit der Verwaltung tritt, wie zum Beispiel in Zulassungsstellen, auf Einwohnermeldeämtern oder bei sonstigen Korrespondenzen. Und es geht weiter beim Ermöglichen digitaler Lösungen im öffentlichen Raum, so zum Beispiel beim smarten Parken, bei digitalen Ausschreibungsverfahren oder mit digitalen Nachbarschaftsnetzwerken. Eine smarte Stadt bedeutet letztendlich mehr Lebensqualität für seine Bürger.
Auch wenn zu Ihrer Amtszeit der Begriff „Smart City“ noch weniger gebräuchlich war, gab es besonders herausragende Projekte, die Sie mit vorangetrieben haben, die Hamburg ein Stück smarter gemacht haben?
In meiner Amtszeit wurde damals – und das war eine absolute Neuheit – das smartparking, d.h. das Zahlen der Parkgebühren per Handy oder App, eingeführt. Auch habe ich die Gründung von Dataport als Zusammenfassung digitaler Dienstleistungen der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein in guter Erinnerung.
Wie sollten aus Ihrer Sicht die Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf eine smarte Stadtentwicklung einbezogen werden?
Das ist ein wichtiger Punkt. Ich bin überzeugt, durch die rechtzeitige Einbindung der Bürger im Planverfahren können spätere Streitigkeiten oder sogar Klagen verhindert und damit Verfahren insgesamt verkürzt werden. Wichtig ist auch, dass eine solche Einbindung möglichst früh erfolgt, absolut transparent ist und der Staat von sich aus tätig wird, anstatt nur passiv zu reagieren. Es gibt interessante Beispiele hierfür in Europa, z. B. Amsterdam. Dank einer Einladung von Frank Zeeb, dem Vorstandsvorsitzenden der Alliander AG konnte ich mir persönlich einen Eindruck der dortigen Smart City Projekte verschaffen. Als einer der Mit-Initiatoren der Smart City Amsterdam hat Alliander u.a. einen Blockchain-basierten Energiehandel in Amsterdam Noord entwickelt. Das Beispiel Amsterdam ist aus meiner Perspektive ein gutes Beispiel dafür, das moderne Daseinsvorsorge nur gelingen kann, wenn man die Bürger einbezieht und Ihnen auch eine gewisse Verantwortung übergibt.
Wie ist Ihre Erfahrung, wie werden smarte Stadtentwicklungsprojekte erfolgreich? Wer sollte die Hauptverantwortung dafür tragen?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass smarte Projekte der Städte in der Theorie akzeptiert werden, in der Praxis kann es dann aber doch schwierig werden. Zu viele alte Gewohnheiten müssen geändert werden und auch der Zuschnitt von Verwaltungseinheiten muss darauf abgestellt werden. Nach meiner Auffassung funktioniert das nur im „Top-Down-Ansatz“. Das heißt, ein führendes Mitglied der Stadtverwaltung, am besten der Bürgermeister selbst, muss die smarte Stadtentwicklung zu seiner Sache machen. Hierbei ist es natürlich empfehlenswert, die örtliche Wirtschaft eng in die Prozesse mit einzubeziehen.
Sie pendeln zwischen Hamburg und Berlin und kennen beide Städte sehr gut. Sowohl Hamburg als auch Berlin wollen seit Jahren mit Smart City-Initiativen und -Projekten in Deutschland zum Vorreiter werden. Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich der Entwicklung zur Smart City?
Jede Stadt ist hier anders. Berlin unterstützt sehr stark die digitale Wirtschaft und zieht Investitionen aus der ganzen Welt an. Auf der anderen Seite ist die Berliner Verwaltung sehr diversifiziert und lokal organisiert. Es ist daher schwierig zentral etwas durchzusetzen. Einige Bezirke scheinen mir recht weit zu sein, während andere noch etwas hinterher sind.
In Hamburg gibt es sehr viele von der Stadtregierung initiierte digitale Strategien. Mir scheint das Ganze aber noch etwas zu theoretisch. Ich hoffe, die praktische Umsetzung von konkreten Projekten wird hier schnell folgen.
Vor allem der Bereich Verkehr und Mobilität wird häufig mit Verbesserungen in Richtung Smart City in Verbindung gebracht. Sie selbst unterstützen eine Initiative für smartes Parken. Was braucht es für einen smarten Verkehr der Zukunft?
Grundsätzlich wird es darauf ankommen, die verschiedenen „Verkehre“ wie den Individualverkehr mit Pkw, Lkw oder Rad und den öffentlichen Personennahverkehr mit Bussen und Bahnen sowie die Verkehrsmittel digital zu vernetzen.
Zudem sollte dies in einfacher Form für den Bürger nutzbar sein. Diese Aufgabe der Vernetzung ist sehr anspruchsvoll. Darum denke ich, es wäre klug, niedrigschwellig zu beginnen, wie z.B. mit smartparking. Wer eine umfassende Strategie schon am Anfang implementieren will, wird es schwer haben. „Step-by-step“ ist klüger.
Als Beiratsmitglied der Alliander AG sind Sie mit dem Smart City-Ansatz von Alliander vertraut. Wo sehen Sie Ansatzpunkte, wie Unternehmen und Städte noch besser zusammenarbeiten können, um wirklich sinnvolle, smarte Projekte für lebenswerte Städte auf den Weg zu bringen?
Es braucht beides: Eine „Top-Down“-Lösung, d.h. einen führenden Verantwortlichen, der für digitale Lösungen steht und eine „Bottom-Up“-Lösung durch die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Ohne Führen auf der einen Seite und Partizipation auf der anderen Seite wird es nicht gehen. Das setzt auch voraus, dass die Verwaltung und ihre Bürger ein Grundvertrauen in smarte Lösungen haben und diese nicht als Bedrohung empfinden. Alliander hat in einigen Kommunen wie in Amsterdam oder im nordrhein-westfälischen Heinsberg gute Lösungen entwickelt und erste Erfahrungen gesammelt, von denen andere Kommunen lernen bzw. profitieren können. In Heinsberg hat Alliander sogenannte Dorfgespräche eingeführt und Bürger dazu gebracht, gemeinsam Ideen für ihre Stadt zu entwickeln – sei es neue Ladetankstellen oder Car-Sharing-Angebote oder ein innovatives Beleuchtungskonzept.
Vielen Dank für das Gespräch!
Ein Teil des Interviews wurde im Kommunal veröffentlicht, am 8. Oktober 2018.