„Richtiges Krisenmanagement nimmt vielen Menschen die Unsicherheit“

Interview mit Eduard Sudheimer, Gesch.ftsführer Alliander Netz Heinsberg. Der Kreis Heinsberg ist vondem Virus in Deutschland besonders betroffen. Wie der Netzbetreiber mit der Situation umgeht:

Herr Sudheimer, vor allem der Kreis Heinsberg ist von der Corona-Krise bundesweit betroffen. Wie fing das alles an?

Eduard Sudheimer: Am 25. Februar gab es in der benachbarten Gemeinde die erste infizierte Person. Bereits am 26. Februar haben wir eine Krisensitzung einberufen und erste Hygienemaßnahmen beschlossen, denn die Gesundheit und das Wohlergehen der Mitarbeiter hat für uns höchste Priorität. Danach wurden die Notfallpläne eingeleitet.

Hatten Sie bereits einen Covid-19-Fall?

Seit dem Auftreten der ersten Corona Fälle in Heinsberg ist bisher glücklicherweise nur eine Mitarbeiterin an dem Virus erkrankt. Sie wurde sofort in häusliche Quarantäne versetzt und gilt mittlerweile laut Gesundheitsamt als geheilt. Unseren Notfallplan haben wir umgehend aktiviert, wie bereits beschrieben. Zu den weiteren Maßnahmen gehörte das Arbeiten von Zuhause sowie vermehrt telefonische und elektronische Kontaktaufnahme, das Absagen von Vor-Ort-Terminen und Geschäftsreisen, das Verzichtenauf den Handschlag und die Einhaltung des Mindestabstandes zwischen den Arbeitsplätzen.

Wieviel Prozent Ihrer Mitarbeiter arbeiten im Homeoffice? Wie gewährleisten Sie hier Datenschutz und IT-Sicherheit?

Um unsere Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner zu schützen, haben wir derzeit einen Anteil der sich im Homeoffice befindenden Mitarbeiter von 30 bis 40 Prozent der Gesamtbelegschaft, bzw. 70 Prozent der Büroangestellten. Eine Ausweitung dieser Regel ist bereits in Planung. Die digitale Zusammenarbeit ist in unserem Unternehmen bereits fest verankert. Alle Remote-Arbeitsplätze sind per SSL-VPN mit dem Firmennetzwerk verbunden und werden daher unter gleichen Sicherheitsbedingungen wie im internen Firmennetzwerk betrieben. Zusätzlich besteht die Möglichkeit für E-Mail und MS-Office-Tätigkeiten, diese über eine sichere Verbindung zur Office365-EU-Cloud abzuwickeln. Auch hier erfolgt die Authentifizierung ausschließlich über die Security Gateways der Alliander. Aktuell werden die Security Einrichtungen neben dem automatisierten Monitoring laufend manuell überwacht, um auf mögliche Engpässe und Probleme bereits in der Entstehung zu reagieren.

Wie bewerten Sie das politische Krisenmanagement in Deutschland?

Der Austausch mit der Landesregulierungsbehörde war bislang nicht notwendig, da wir sehr schnell eigene wirksame Maßnahmen ergriffen haben. Dem Kreis Heinsberg können wir ein hervorragendes Krisenmanagement attestieren. Wir fühlen uns jederzeit gehört und gut informiert. Die Energiewirtschaft ist insgesamt auf die Krise gut vorbereitet: Uns droht kein Stromausfall. Die Bundesnetzagentur, die für die Überwachung der Stromversorgung in Deutschland auf Seite des Staates zuständig ist, nimmt die Lage sehr ernst. Sie ist in Kontakt mit allen Netzbetreibern. Jedoch hätten wir uns vor Ort in Heinsberg eine schnellere Versorgung mit den notwendigen Hilfsmitteln und Schutzausrüstung, sowie zusätzliches ärztliches Personal gewünscht. Unser Landrat Pusch hatte dies auch mehrmals in den Medien gefordert.

Was machen Sie um die Ausfallsicherheit weiter zu gewährleisten – falls sich auch Ihr Kernteam infiziert?

Um zu verhindern, dass sich ein Mitarbeiter in eben diesem Bereich infiziert, haben wir Sicherheitsmaßnahmen und Hygienevorgaben beschlossen. Sollte sich doch ein Mitarbeiter infizieren, haben wir Notfallpläne. Für jeden Fachbereich gibt es kritische Prozesse, die dann eingeleitet werden würden. Insgesamt haben wir sechs Mitarbeiter, die im Bereitschaftsmodus sind und zur Störungsbeseitigung eingesetzt werden können. Wir testen und evaluieren unsere Notfallpläne regelmäßig, damit sie im Falle einer Pandemie greifen. Sollte widererwarten das Kernteam ausfallen, haben wir eine Kooperation mit unseren benachbarten Netzbetreibern geschlossen. Als allerletzte Option würden wir auch dem Vorschlag des VKU folgen, unter der Voraussetzung, dass die entsprechende Schutzausrüstung, zum Beispiel Masken, bereitgestellt werden kann und keine Gefahr für Familien, Kollegen oder Dritte ausgeht. Dies ließe sich nur durch gänzlich isoliertes Arbeiten umsetzen.

Welche finanziellen Auswirkungen wird die Epidemie auf Ihr Unternehmen haben?

Die Situation ist sehr dynamisch und muss im Prinzip täglich neu bewertet werden. Eine pauschale Aussage zu den finanziellen Folgen ist deshalb schwer vorhersagbar. Derzeit hat die Pandemie unser operatives Geschäft kaum beeinträchtigt. Sollte jedoch die Situation weiter andauern, dann könnten wir angestrebte Projekte und Dienstleistungen nicht mehr im erhofften Maße realisieren.

Es droht eine schwere Rezession, die Wirtschaft steht derzeit still, der Industriestromverbrauch dürfte drastisch zurückgehen, was bedeutet dieser Einbruch für Ihre Umsatz- und Ergebnisplanung?

Sollten wir uns nach Corona tatsächlich in einer Rezession befinden, müssten wir ggf. schon geplante Netzausbauprojekte nochmal neu bewerten. Wir gehen davon aus, dass das regulatorische Umfeld dennoch stabil bleibt. Zudem bieten wir Lösungen für zukunftsfähige Technologien, wie die Elektromobilität und erneuerbare Energien, an. Analysen haben erst kürzlich gezeigt, dass die Investitionen in diesen Märkten, trotz Corona und Ölkrise, stark zunehmen. Die Erträge erneuerbarer Energien zum Beispiel sind unabhängig von Kursschwankungen an der Börse, d.h. sie korrelieren weniger mit anderen Märkten und sind daher gerade jetzt stark gefragt. Wir müssen aber natürlich auch darauf vertrauen, dass die Bundesregierung ihre gesteckten Klimaziele weiterhin zielstrebig verfolgt und Investitionen vorantreibt.

Rechnen Sie mit steigenden Preisen für Energie, ÖPNV-Tickets und Wasser?

Die Kosten für den Betrieb der Stromnetze fallen ungeachtet der transportierten Menge an. Infolgedessen führt eine dauerhafte Reduzierung des Energiebedarfs unweigerlich zu höheren Netzentgelten. Ob sich das im Strompreis für den Endkunden auch wiederspiegeln wird, hängt letztlich vom Gesamtenergiemarkt ab. Die Großhandelspreise für Strom haben sich von 2018 zu 2019 etwa halbiert. Trotzdem sind die Strompreise seitdem bei den meisten Verbrauchern höher ausgefallen, da die Energielieferverträge lange Laufzeiten haben und die Energie zu festgeschriebenen Preisen verkauft wird. Aufgrund der derzeitigen niedrigeren Nachfrage der Industrie auf dem Großhandel sind die Energiepreise erneut gesunken. Die Bundesregierung könnte zusätzlich die Umlagen, Abgaben und Steuern senken. Die Verbraucher sollten aber auch darauf achten, dass gerade jetzt, wo Menschen sich vermehrt womöglich über Wochen zuhause aufhalten, der private Verbrauch steigen könnte. Niedrigere Kosten könnten also durch einen höheren Verbrauch aufgehoben werden.

Welche Auswirkungen hat das Virus auf Ihre laufenden Projekte?

Wir versuchen unsere bestehenden Projekte soweit wie möglich fortzuführen. Bisher müssen wir zum Glück Anschlusstermine für Hausbauer nicht verschieben. Wir gehen aktuell auch davon aus, dass der Rollout von modernen und intelligenten Zählern ungehindert fortgesetzt werden kann. Bei anhaltender Krise ist jedoch die Umsetzung von Großprojekten neu zu bewerten und gegebenenfalls zu verschieben.

Wie lange lässt sich dieser „Notbetrieb“ wie er jetzt vorherrscht aufrecht erhalten?

Unsere Pandemiepläne sind darauf ausgelegt, mehrere Wochen, wenn nötig Monate, im Notfallbetrieb weiter operieren zu können. Vorausgesetzt natürlich, dass wir personell keine großen Ausfälle haben und keine Lieferengpässe erfahren. Wir hoffen natürlich, dass wir so schnell wie möglich zur Normalität zurückkehren können.

Worin sehen Sie persönlich die größte Herausforderung bei der Bewältigung der Krise? Wo gibt es auch Chancen?

Die größte Herausforderung ist sicherlich die Ungewissheit, wie lange alle Maßnahmen aufrechterhalten werden müssen. Auch wenn durch die Krise viele geschäftliche und persönliche Bereiche starken Einschränkungen unterworfen sind, müssen wir Zuversicht signalisieren. Proaktive Kommunikation und die Bekräftigung dafür, dass die Energieversorgung sicher ist, sind für unsere Kunden gerade elementar. Ich denke, dass richtiges Krisenmanagement gerade vielen Menschen die Unsicherheit nimmt und wir dadurch als Gesellschaft enger zusammenrücken werden.

Die Fragen stellte Stephanie Gust

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