Regional ist das neue Bio: Ökostrom aus der Nachbarschaft ist so beliebt wie nie
Verbraucherinnen und Verbraucher legen bei der Auswahl ihres Stromtarifs mehr Wert auf Energie aus erneuerbaren Quellen. Die regionale Produktion des Ökostroms spielt dabei eine zunehmend größere Rolle. Das ergeben Studien des Vergleichsportals Verivox und des Umweltbundesamtes. Um dem „Greta-Effekt“ jetzt nachhaltig Schwung zu verleihen, müssen aber Maßnahmen getroffen werden.
Ökostromtarife
Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima sei das Interesse an einem Ökostromtarif auf der Plattform am größten gewesen, teilt Verivox mit. 2012 schlossen drei von vier VerbraucherInnen einen Ökostromtarif ab, wohl aus Ablehnung gegenüber dem unsicheren Atomstrom. In den Jahren danach gingen die Vertragsabschlüsse für Grünstromtarife allerdings kontinuierlich zurück. Mit den neuen Quartalszahlen stoppt dieser Trend nun: Zwischen Juni 2018 und 2019 legte die Nachfrage nach Strom aus regenerativen Quellen um 25 Prozentpunkte zu.
Wollten im letzten Jahr nur 33 Prozent der VerbraucherInnen einen Ökostromtarif unterzeichnen, waren es 2019 schon 58 Prozent. Die Erderwärmung rücke durch Greta Thunberg stärker ins Zentrum gesellschaftlichen Diskurses. Dadurch greifen Verbraucher vermehrt zu Ökostrom, denn sie fühlen sich durch externe Ereignisse individuell betroffen.
Greta Thunberg machte mit ihren wöchentlichen Klimastreiks auf die Erderhitzung aufmerksam und inspirierte eine globale Klimaschutzbewegung, zu der auch die „Fridays-For-Future“-Demonstrationen zählen. Daraufhin konnten bereits in der Europawahl grüne Parteien die Konjunktur der Klimathemen für sich nutzen und einen deutlichen Stimmenzuwachs verbuchen. Das spiegelt sich auch auf dem Energiemarkt wider. Gerade jüngeren Kunden ist nachhaltiger Strom wichtig. Jeder Fünfte von ihnen schließe einen Grünstromvertrag ab.
Regionalstrom
Die Studienergebnisse der „Marktanalyse Ökostrom II“ des Umweltbundesamtes bestätigen das. Die Zusammensetzung und Herkunft des Stromproduktes und dessen Preis seien für die Kunden von gleicher Bedeutung, so die Autoren. Die Regionalität des Strombezugs spielt also eine zunehmend größere Rolle.
Die Zertifizierung von Ökostrom als „regional“ eröffnet angesichts abgelaufener EEG-Förderung neues Potenzial. Damit sind Nachweise gemeint, aus denen hervorgeht, in welcher EEG-Anlage (etwa einem Windpark) eine bestimmte Menge Strom aus erneuerbaren Energien produziert wurde. Durch diesen Herkunftsnachweis kann ein neuer Anreiz jenseits der staatlichen Förderung geschaffen werden. Sowohl Nachfrage als auch Angebot profitieren vom verlässlichen Gewinn mit langfristigen Lieferverträgen des Regionalstroms, auch kleinere Strommengen können dadurch besser vermarktet werden.
Nicht zuletzt profitieren die VerbraucherInnen direkt vor Ort von der regionalen Vermarktung. Regionalstrom sorgt nicht nur für einen Vernetzung der Akteure vor Ort, sondern auch für eine erhöhte Akzeptanz Erneuerbarer Energien und damit dem Ausbau dezentraler Energieinfrastrukturen.
Entscheidend wird bei der Umsetzung die Ausstattung mit angemessenen Gütesiegeln sein. Für regulären Ökostrom gibt es etwa das ok-power-Gütesiegel und das Grüner-Strom-Label. Sie sollen sicherstellen, dass die Grünstromprodukte einen nachweisbaren ökologischen Zusatznutzen haben, indem sie etwa in den Ausbau erneuerbarer Energien investieren. Bei 1157 Ökostromprodukten (2013 waren es noch 810) auf dem Markt, Stand 2017, ist das essentiell.
Das Umweltbundesamt möchte mit einem Regionalnachweisregister erstmals eine solche Herkunftsgarantie einheitlich durchsetzen. VerbraucherInnen sollen so unter anderem vor Doppelvermarktung und falschen Werbeversprechen geschützt werden. Unabhängig davon ist klar: Die Bereitschaft der Bevölkerung auf sauberen Strom umzusatteln war nie so groß wie heute.